Das Hohelied

Das Hohelied stellt eine Sammlung von Liebesliedern dar, in denen Mann und Frau ihre erotische Liebe besingen. Aber auch andere Aspekte der partnerschaftlichen Liebe kommen in den Liedern ausführlich zur Sprache.
Um das Spannungsvolle der menschlichen Liebe darzustellen, ist das Hohelied von einer Spannung zwischen königlicher Lebenswelt mit all ihrem Luxus und dem Hirtenleben in all seiner Einfachheit geprägt.

Aufbau

Ob sich im Hohelied ein planvoller Aufbau erkennen lässt, ist in der Forschung umstritten. Dennoch ist zu beachten, dass die einzelnen Lieder der Liedsammlung u.a. durch Motive, Stichworte oder Refrains miteinander verbunden sind. Oft wird das Buch in zwei Teile geteilt: Hld 1,2-5,1 und 5,2-8,14. Ordnet man formal oder inhaltlich ähnliche Szenen des Buches einander zu, so ergibt sich sogar eine konzentrische Struktur mit Hld 3,6-5,1 als Mitte:

A   1,2-2,7    (Gegenseitige Liebe und Sehnsucht)
B   2,8-17     (Einladung des Mannes an die Frau zur Liebe in der freien Natur)
C   3,1-5      (Traum der Frau und Zusammensein der Liebenden)
D   3,6-5,1    (Hochzeit: „Esst, Freunde, trinkt, berauscht euch an der Liebe!“
                  [Hld 5,1])
C’  5,2-7,11  (Traum der Frau; Ausdruck gegenseitiger Bewunderung und
                  Zusammensein der Liebenden)
B’  7,12-8,4  (Einladung der Frau an den Mann zur Liebe in der freien Natur)
A’  8,5-14     (Gegenseitige Liebe und Sehnsucht:
                  „Stark wie der Tod ist die Liebe“ [8,6])

Entstehung

Mehrheitlich wird in der gegenwärtigen Forschung für eine Datierung in die persisch-hellenistische Zeit plädiert. Hierfür sprechen nicht nur Motive, die aus hellenistischer Zeit stammen (vgl. Bräutigamsbekränzung in Hld 3,11), sondern auch sprachliche Gründe (u.a. lexikalische und grammatische Aramaismen). Allerdings schließt diese späte Datierung nicht aus, dass einzelne Lieder Traditionen aufnehmen, die bis in die Königszeit (10./9. Jh. v. Chr.) zurückreichen.

Inhalt

Obwohl das Wort „Gott“ im Hohelied nicht vorkommt, wurde es in den Kanon der Bibel aufgenommen. Dies hängt mit einer Interpretationsweise in der jüdisch-christlichen Tradition zusammen, die man als allegorische (griechisch "allos agorein" = „anderes sagen“) Interpretation bezeichnet. Auf den ersten Blick spricht das Hohelied von der Liebe zwischen Mann und Frau, in Wirklichkeit ist damit aber etwas anderes gemeint, nämlich die Liebe zwischen Gott und seinem auserwählten Volk oder die Liebe zwischen Jesus Christus und der Kirche. Möglich ist auch die Deutung einer liebevollen Vereinigung zwischen Gott und der menschlichen Seele. Diese allegorische Interpretation liegt schon im Judentum vor und reicht bis in die zweite Hälfte des 1. Jh.s v. Chr. zurück. Aufbauend auf diese Interpretationsweise wird daher im Judentum das Hohelied als Festrolle beim Pessach-Fest gelesen, weil darin die Liebe Gottes zu seinem erwählten Volk, das er aus Ägypten führt, zum Ausdruck kommt.
Die historisch-kritische Bibelwissenschaft verbleibt mit ihrer Auslegung des Hohenliedes im zwischenmenschlichen Bereich und sieht in den einzelnen Liedern die Liebe zwischen Mann und Frau ausgedrückt. Damit aber schließt sie eine mögliche allegorische Interpretation nicht aus, betont aber, dass ursprünglich die Lieder die erotische Liebe zwischen Mann und Frau besingen.

"Schön bist du, meine Freundin ..."

 Hld 4,1-16 aus BiHe 1/04

Der Aufbau des Hohelieds

Der Aufbau aus WUB 3/01 "Liebe und Eros"