Die Klagelieder

Das Buch der Klagelieder besteht aus fünf kunstvoll gestalteten Einzelgedichten. Im Anschluss an die Zerstörung Jerusalems samt Tempel im Jahr 586 v. Chr. verarbeiten die Klagelieder aus der Sicht der Betroffenen das Leid, indem es theologisch gedeutet wird (Klärung der Warum-Frage und Ausarbeitung einer Zukunftsperspektive).

Aufbau

Sprachlich ist im Hebräischen jedes einzelne in sich abgeschlossene Klagegedicht auf verschiedene Weise nach den einzelnen Buchstaben des hebräischen Alphabets komponiert.
Das erste Klagelied (Klgl 1) schildert in 1,1-11 die Not der Stadt, die als einsame, weinende Frau dargestellt wird. Die in 1,12-22 formulierten Klagen rufen JHWH zur Vergeltung an den Feinden Jerusalems auf.
Das zweite Klagegedicht (Klgl 2) schildert zunächst in 2,1-12 das strafende Handeln JHWHs. Danach wird in 2,13-22 die Not der Stadt beklagt und JHWH zum Eingreifen aufgefordert.
Im dritten Klagegedicht (Klgl 3) wird ausführlich der Zorn JHWHs und sein Erbamen reflektiert. Im Unterschied zu den anderen vier Klagegedichten liegt hier das Klagegedicht eines Einzelnen vor.
Im vierten Klagegedicht (Klgl 4) wird die Elendsschilderung, die im Rahmen des göttlichen Zorns (4,11) als Folge der eigenen Sündigkeit (4,6.13.22) gedeutet wird, nach Gruppen aufgeschlüsselt.
Im fünften Klagegedicht (Klgl 5) wird ausführlich das Leid geschildert, wobei mit 5,1.22 in rahmender Funktion an JHWH die Bitte um Zuwendung und Rettung geäußert wird.

Entstehung

Die Tradition, die im Propheten Jeremia den Verfasser der Klagelieder sieht, gründet auf der griechischen Bibelübersetzung (Septuginta) und nimmt dabei eine Notiz aus 2 Chr 35,25 auf. Daher folgen die Klagelieder in der Septuaginta auf Jeremia und Baruch, während sie in der hebräischen Tradition dem Kanonteil der „Schriften“ (hebräisch "Megillot") zugeordnet sind.
Mögen die einzelnen Klagegedichte auch in einem unterschiedlichen Zeitabstand zur Katastrophe von 586 v. Chr. abgefasst worden sein, so ist eine genaue Datierung nicht möglich. Es ist allerdings davon auszugehen, dass alle Klagegedichte in exilisch-frühnachexilischer Zeit entstanden sind.

Inhalt

In den Klagegedichten kommen die Opfer von Kriegsgewalt und Terror zu Wort. Das erlittene Leid wird in all seinen Aspekten dargestellt und Gott entgegengehalten. So sind die Klagegedichte ein vehementer Einspruch gegen jede Form von Leidverdrängung. Die Klage stellt den Ernstfall des Glaubens dar. In der Klage ringt der Beter/die Beterin mit Gott um Gottes willen. Die Klage ist zugleich Anklage (Warum?)  und Hoffnung auf Rettung (Wer sonst außer Gott?).