Kampf um Narrative Die Bibel erzieht zum kritischen Bibellesen und mündiger Weltwahrnehmung

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Besonders in Krisenzeiten gibt es in Gesellschaften Erzählungen/Narrative, um die Welt in der Krise zu deuten. Die Bibel jedoch verweigert sich der Festlegung auf nur ein „Meisternarrativ“. 

Sie stellt konkurrierende Erzählungen nebeneinander – aus verschiedenen Zeiten und unterschiedlichen Perspektiven – und leitet die Lesenden so zum Wahrnehmen komplexer Situationen an.

Ein Beispiel dafür sind die Bücher Esra-Nehemia und Rut. Nach dem Babylonischen Exil erzählt Esra-Nehemia, dass auch die Abgrenzung von allem Fremden wichtig ist, um die Identität zu stärken - besonders vom moabitischen Volk. Dagegen enthält das Buch über die Moabiterin Rut ein alternatives Narrativ, das erzählt, wie eine fremde verwitwete Frau Israel zeigt, wie seine Tora eigentlich funktioniert und schließlich sogar zur Ahnin Davids wird.

Durch die Überlieferung verschiedener Erzählungen erzieht die Bibel zum kritischen Lesen und zu einer Weltwahrnehmung, die der Komplexität des Lebens gerecht wird. In biblischen Erzählungen kommen verstärkt auch Menschen am Rand in den Blick – auf Unterdrückte und Minderheiten richtet sich das Augenmerk.