Was man heute über die Magier im Weihnachtsevangelium weiß

Stuttgart, 06.12.2023 Traditionell wird die Besuchergruppe beim Jesuskind „heilige drei Könige“ genannt. Doch steht im Urtext weder die Zahl drei noch das Wort „Könige“, sondern der griechische Begriff „magoi“. Ein magos bezeichnet im 1. Jahrhundert einen Magier, Wahrsager oder Zauberer. Sprachgeschichtliche Untersuchungen ermöglichen heute einerseits weitere Aussagen über die Gruppe. Andererseits zeigen sie, dass man religiöse Spezialisten anderer Völker oder Religionen mit der Bezeichnung „Magier“ abwerten konnte.

Der Begriff magos geht vermutlich auf die Mager zurück, ein medischer Stamm im heutigen irakisch-iranischen Grenzgebiet. Bereits der griechische Geschichtsschreiber Herodot (ca. 485–424 v. Chr.) erwähnt ihn. Priester aus diesem Stamm sollen am Königshof als Astrologen, Traumdeuter und Königsratgeber tätig gewesen sein. Herodot schreibt den persischen magoi allerlei Besonderheiten zu: Sie unterscheiden sich von anderen Menschen, aber auch von ägyptischen Priestern. Außerdem sagt er über sie, dass sie ungewöhnliche Speisegewohnheiten haben, da sie Ameisen genauso verzehrten wie Schlangen, Kriechtiere und Vögel. Laut Herodot spielten die magoi in der persischen Bestattungspraxis eine Rolle, von der wenig nach außen dringe. Herodot zeichnet damit ein Bild von fremden Ritualexperten, denen etwas Mysteriöses anhaftet.

Weil das Priestertum erblich war, habe sich die Bedeutung der Bezeichnung magos vermutlich allgemein auf Menschen mit besonderer kultischer und ritueller Expertise verschoben, erläutert Michael Hölscher, Neutestamentler an der Universität Mainz, in der neue Ausgabe von Bibel und Kirche (4/2023 „Magie und Zauberei in der Bibel“). Kultische und rituelle Handlungen von anderen Religionen oder Völkern werden in der Antike aber häufig negativ als Magie oder Zauberei abqualifiziert, auch im Neuen Testament, wie Hölscher untersucht hat: „Mit solchen Begriffen grenzt man sich und seine Gruppe von anderen ab.“ Wenn also abwertend von Magie die Rede ist, dann bezeichnet das zumeist Rituale von „Anderen“ (Othering). Und so nutzt Matthäus in seiner Geburtserzählung die negative Aura der magoi als nicht-jüdische Fremde. Er inszeniert sie überraschend als diejenigen, die genau das erkennen, was der jüdische König Herodes nicht erkennen wird. Es sind ausgerechnet die Fremden, die den Stern als Zeichen für die Geburt eines neuen Königs richtig deuten.

Die Ausgabe „Magie und Zauberei in der Bibel“ erläutert den aktuellen Forschungsstand der Religionswissenschaft zum Thema Magie, die heute nicht mehr als Gegensatz zu „Religion“ verstanden wird. Viele Rituale sind demnach Teil einer religiösen Lebensbewältigung. 

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Mehr zur neuen Ausgabe: 
Inhalt „Eine verborgene Macht? Magie und Zauberei in der Bibel“


Ulrike Bechmann
Magie – eine Spurensuche

Rüdiger Schmitt
Magie im Alten Testament in Stichworten
Vom Abwehrzauber zu Wundergeschichten

Simone Paganini
»Die Hexe sollst du nicht leben lassen.« (Ex 22,17)
Vom Umgang mit Magie in der Hebräischen Bibel

Angelika Berlejung
Frauen und Magie

Florian Lippke
Wenig Magie – große Wirkung!
Das Amulett als Kleinform visueller Religion in der Biblischen Welt und Umwelt

Michael Hölscher
Flüche, Heilungen und Dämonen
Mehr als Magie im Neuen Testament

Walter Bruchhausen
Magie, Geister und Rituale
Erfahrungen und Einsichten aus Afrika
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Die Macht des Erzählens Bibel und Kirche 3/2023 
ISBN 978-3-948219-16-1, 60 S., 
Katholisches Bibelwerk e.V. 2023
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