Die Erzeltern - Der Anfang eines langen Weges

Stuttgart, 15. Dezember 2025 Eine schrecklich nette Familie? Welt und Umwelt der Bibel beleuchtet/befragt die biblischen Erzeltern-Erzählungen

Bibelleserinnen und -lesern sind die berühmten Worte vertraut: „Ich bin der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Hinter dieser schlichten Formel verbirgt sich jedoch ein vielverzweigter Familienstammbaum. Bereits die parallele Nennung der dazugehörigen Erzmütter ist herausfordernd – wer war nochmal die Frau von wem? Von heute erstaunt es, die Erzväter lebten mehrheitlich in polygynen Ehen. 

Die aktuelle Ausgabe von Welt und Umwelt der Bibel (3/2025) reist zurück an den Anfang einer langen und alles andere als geradlinigen biblischen Familien- Volks- und Theologiegeschichte! 

Die titelgebende Bezeichnung „Erzeltern“ stammt von Irmtraud Fischer, Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaft in Graz. Er bezeichnet den durch verwandtschaftliche Beziehungen verbundenen Personenkreis, dem die biblischen Erzählungen in Genesis 12 bis 36 gewidmet sind – allen voran Abraham und Sara. Im Interview betont Fischer die exegetische Präzision des Begriffs, rücken so doch Männer- und Frauengestalten gleichermaßen ins Blickfeld. Außerdem geraten festgezurrte Interpretationen in Bewegung, z.T. weit über den erzählten Kontext hinaus: „So können wir z.B. aus der Notiz, dass Rahel mit den Schafen ihre Vaters Laban zum Brunnen kommt und die Hirten des Ortes auf sie warten, da sie gemeinschaftlich die Tiere tränken, mehrere Schlussfolgerungen ziehen: Junge Frauen übernahmen offenkundig wie die Männer die Aufgabe des Schafe- und Ziegenhütens und wurden in dieser Funktion geachtet. Wenn aber dann „Hirte“ als Metapher für Gott gebraucht wird, kann nicht davon die Rede sein, dass das ein männliches Gottesbild sei.“

Bei genauer Lektüre der Genesistexte haben Frauen ebenso wie Männer als Träger:innen göttlicher Verheißung zu gelten. Als „theologischer Markenkern der Erzelternerzählungen“ qualifiziert Mathias Winkler, Professor für Exegese und Hermeneutik des Alten Testaments in Regensburg, diese Zusagen Gottes in Bezug auf Nachkommen, Land und Segen. Mitunter gefährden Kinderlosigkeit, Erbstreitigkeiten und Hierarchiekonflikte die Realisierung der Verheißungen. Des Öfteren ist das Verhalten der Väter äußerst fraglich. Abraham liefert Sara gleich zweimal potenzieller Gewalt fremder Herrscher aus. Ebenfalls zweimal treibt er Hagar in die lebensfeindliche Wüste. Zweimal muss ein Bote Gottes eingreifen, um seine beiden Söhne aus tödlicher Bedrohung zu retten. Es sind viele und ambivalente Gesichter Abrahams, die sichtbar werden. Die Verheißungen an die Erzeltern sind verbunden mit einer besonderen Weise der Offenbarung Gottes, so Winkler weiter: Gott sieht und gibt sich zu sehen. Dies erleben auf je eigene Art und Weise Abraham, Jakob und Hagar. Das Sehen Gottes steht im Mittelpunkt der Erzählungen und strukturiert die Landkarte der Erzeltern.

Alle die berühmten Orte der Erzeltern werden in einer Art „Bilderreise“ erschlossen. Wie auf einer Wanderroute führt das Magazin entlang der großen Bewegung von Ur im südlichen Irak über Hebron u.a. Orte bis Beerscheba im Negev und weiter in den Sinai. So öffnet sich ein Einblick in verschiedene archäologischer Grabungsplätze, ihre Geschichte und religiöse Bedeutung bis in die Gegenwart. 

Denn bis heute beziehen sich jüdische, christliche und muslimische Gläubige positiv auf den Erzvater Abraham und all seine Nachkommen. Daher fragt ein interreligiöses Gespräch zwischen drei Forschenden des Forums für Komparative Theologie in Bonn: „Wer ist Abraham – für dich?“ In der jüdischen Tradition erhält Abraham den ehrenvollen Namenszusatz „unser Vater“. Im Islam zählt er zu den bedeutendsten Propheten und gilt als „Freund Gottes“. Das christliche Neue Testament betont den Glauben Abrahams. Im Gespräch wird die Verwandtschaft zwischen Völkern, Kulturen und Religionen greifbar. Ein äußerst spannendes Familientreffen. 

Mehr erfahren: Inhalt „Die Erzeltern“ (Welt und Umwelt der Bibel (3/2025)

 

Berenike Jochim-Buhl
„Ein Segen sollst du sein“
Geborgen im Schoß Abrahams

„Zahlreich werden deine Nachkommen sein“
Der Stammbaum der Erzeltern

Kathrin Gies
Die liebe Verwandtschaft
Familienaufstellung in der Genesis

Von Erzvätern zu den Erzeltern – eine genderfaire Relecture
Frau Prof.in Irmtraud Fischer im Gespräch

Brunnen des Lebendigen
Hintergrundwissen zu den Erzelternerzählungen

Mathias Winkler
Hier gibt’s was zu sehen!
Die Offenbarungstheologie der Erzelternerzählungen

Auf den Spuren der Erzeltern zu heutigen Gedenkorten
Von Mesopotamien bis Ägypten

Annette Mirjam Boeckler/Nasrin Bani Assadi/Markus Adolphs
Wer ist Abraham – für dich?
Das Erbe Abrahams: ein jüdisch-christlich-muslimisches Gespräch

Johannes Roth
Gott erprobt Abraham?
Die Bindung Isaaks

Sonja Weeber
Hagar – Sklavin, Überlebende, Schwester
Essay

Interview
Von Kunst, die ihre eigene Geschichte erzählt
Ein Gespräch mit Erik Riedel

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Welt und Umwelt der Bibel – Archäologie, Kunst, Geschichte erscheint seit über 25 Jahren im Katholischen Bibelwerk e.V., in Kooperation mit dem französischen Magazin „Le Monde de la Bible“ (Bayard Presse). Forschende aus den Feldern Theologie, Archäologie, Kunst, Judaistik, Islamwissenschaft, Ägyptologie und Orientalistik berichten über Kultur, Religion und Geschichte der biblischen Länder. Damit ist das Magazin international, ökumenisch und interdisziplinär aufgestellt. Jede Ausgabe umfasst aktuelle archäologische Meldungen und Forschungen, Ausstellungs- und Veranstaltungstermine sowie Literaturtipps. 

Weitere Informationen: 

Die Erzeltern. Der Anfang eines langen Weges

Welt und Umwelt der Bibel 3/2025

ISBN 978-3-911227-00-1, 80 S., EUR 12,80,

Katholisches Bibelwerk e.V. 2025

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