Zyperns vergessene Welten
Stuttgart, 14. Mai 2025 Zypern ist eine Insel der Übergänge. Ihre einzigartige Lage an den wichtigsten Handelsrouten der Seefahrt machte sie nicht nur in der Antike zu einem wahren Schmelztiegel der Religionen, Weltanschauungen, politischen wie wirtschaftlichen Systeme. Wie in einem Kaleidoskop kann die Beschäftigung mit ihrer kulturellen und religiösen Hinterlassenschaft in unsere Übergangszeit Impulse geben. Die vielen Geschichten und Perspektiven, die es aus Zyperns Traditionen zu erzählen gibt, sind eingebettet in alle großen Narrationen der Weltgemeinschaft. Es gibt nichts, was es auf Zypern nicht zu lernen gäbe…
Es kommt immer auf die Perspektive und die Deutungen an, wenn man Geschichte und Geschichten studiert oder Artefakte vergangener Jahrhunderte untersucht. Thomas Staubli beschreibt die Entwicklung Zyperns als eine Geschichte kolonialer Gier und Unterwerfung. Die friedliche Insel der Seligen unter dem Segen der großen Göttin war international präsent und lebte über Jahrhunderte in kulturellem und religiösem Austausch. Mit den Ptolemäern, die dann abgelöst wurden vom Römischen Reich, der britischen Macht und schließlich der türkischen und griechischen Herrschaft wurde sie zum kolonialisierten Spielball der großen Mächte.
Mitten in dieser Entwicklung kommt mit Barnabas und Paulus das Christentum auf die Insel. Eindrucksvoll schildert Michael Hölscher wie Barnabas zu einer Identifikationsfigur des zypriotischen Christentums geformt wurde. Schon in der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen ist Barnabas ein Vermittler zwischen Jerusalem und Antiochia, zwischen Öffnung und Tradition, zwischen heidenchristlichen und judenchristlichen Gemeinschaften. Barnabas, so Hölscher, machte einen Rückzieher und teilte im Blick auf die Speisevorschriften die Freiheit des Paulus nicht. Er kehrte nach Zypern zurück und wurde dort zur Programmfigur einer starken zypriotischen Kirche. Die Tradition stilisiert Barnabas zur Gründungsfigur mit apostolischer Autorität und natürlich stirbt er als Märtyrer. Es verwundert nicht, dass die jüdischen Gemeinden bis in die Spätantike sehr lebendig blieben. Auch der Kult der Aphrodite war vermutlich noch mindestens bis ins 4. Jh. n. Chr. auf der Insel lebendig. In Kouklia steht bis heute direkt neben dem alten Heiligtum der Aphrodite die Panagia Katholiki, eine Marienkirche mit dem Beinamen „Aphroditissa“. Den Befund der ersten christlichen Jahrhunderte fassen Manuel Krumbiegel und Paula Schöttke so zusammen: „Das frühe Christentum auf Zypern begegnet einer kulturellen und religiösen Vielfalt, von der es sich nicht ausschließlich abgrenzt, sondern sich Traditionen aneignet oder diese transformiert.“ Es gelingt dem Christentum auf diesem Erbe ein unglaubliches Wachstum. Waren beim Konzil von Nicäa nur 3 Bischöfe aus Zypern auf den Listen, so sind um 400 n. Chr. bereits 15 Bischofssitze belegt. Eine eindrückliche Bautätigkeit, große Anlagen wie die Basilika von Kampanopetra mit einer Länge von 153 m und viele kleine Kapellen und Kirchen entstehen.
Bis in die Neuzeit prägen Vielfalt, Dominanz und Neuanfänge die kulturelle, politische und religiöse Entwicklung Zyperns.
Ein spannendes Interview mit Thorsten Kruse bündelt die vielen Erzählungen der komplexen Geschichte der Insel und betont deren Bedeutung für Europa. Als Gründer einer interdisziplinären Arbeitsgruppe zu Zypern (Future for Religious Heritage, FRH) setzt er sich für den Erhalt der Kulturdenkmäler ein. Er zeigt auf, dass das religiöse Erbe immer wieder für politische Botschaften missbraucht wurde und wird.
Mehr erfahren: Inhalt „Zyperns vergessene Welten“ (Welt und Umwelt der Bibel (2/2025)
Thomas Staubli
Das kupferreiche Land der Göttin
Die Bedeutung Zyperns in der antiken Welt
Michael Hölscher
Zu Hause in zwei Welten: Zypern und Jerusalem
Barnabas und das frühe Christentum auf Zypern
A. Judith Göppinger
Kupfer, Magie und Rebellion
Die jüdischen Gemeinden im antiken Zypern
Paula Schöttke und Manuel Krumbiegel
Wo Aphrodite aus dem Wasser stieg
Das frühe Christentum in der religiösen Landschaft Zyperns
Thomas Staubli
Der Segen der Frauen im vorchristlichen Zypern
Andreas Müller, Georg Röwekamp, Chrysovalantis Kyriacou
Apostel, Bischöfe, Heilige
Den großen Heiligen Zyperns auf der Spur
Georgios Deligiannakis
Eine Insel wird christlich
Zyperns Weg zum Christentum
Andreas Müller
Ein Panoptikum byzantinischer Kirchenkunst
Die Scheunendachkirchen auf Zypern
Michael Hölscher
Zeittafel zur Geschichte Zyperns
Interview
Religiöses Erbe in einem geteilten Land
Ein Gespräch mit Thorsten Kruse
___________________
Welt und Umwelt der Bibel – Archäologie, Kunst, Geschichte erscheint seit über 25 Jahren im Katholischen Bibelwerk e.V., in Kooperation mit dem französischen Magazin „Le Monde de la Bible“ (Bayard Presse). Forschende aus den Feldern Theologie, Archäologie, Kunst, Judaistik, Islamwissenschaft, Ägyptologie und Orientalistik berichten über Kultur, Religion und Geschichte der biblischen Länder. Damit ist das Magazin international, ökumenisch und interdisziplinär aufgestellt. Jede Ausgabe umfasst aktuelle archäologische Meldungen und Forschungen, Ausstellungs- und Veranstaltungstermine sowie Literaturtipps.
Weitere Informationen:
Zyperns vergessene Welten. Geschichten und Glaubensvielfalt
Welt und Umwelt der Bibel 2/2025
ISBN 978-3-948219-63-5, 80 S., EUR 12,80,
Katholisches Bibelwerk e.V. 2025
Bezugsquelle:
bestellung(at)bibelwerk.de;
Tel. 0711 61920-26; im Abonnement bei Katholisches Bibelwerk e.V., Tel. 0711 619 20 50,
online unter https://www.weltundumweltderbibel.de
Interviewpartner zum Thema vermitteln wir gern.
Rezensionsexemplare können Sie unter presse(at)bibelwerk.de anfordern.
Pressekontakt: Ralf Heermeyer, Tel. 0711 61920-55, presse(at)bibelwerk.de